
Post von Karlheinz von Hasnain Kazim

Untertitel: Wütende Mails von richtigen Deutschen - und was ich ihnen antworte.
Als Journalist der Zeitschrift Der Spiegel ist Kazim täglich mit Massen an Reaktionen auf seine Artikel konfrontiert... Er ist der Meinung, dass er nicht alles, was ihm an Hass und auch absolutem Blödsinn entgegen"gekotzt" wird, einfach stehen lassen kann. Und so tritt er in Dialog mit Leuten, die ihn oft lediglich wegen seines Namens und Aussehens rassistisch beschimpfen, diffamieren oder bedrohen. Denn:
Meinungsfreiheit bedeutet nicht Widerspruchsfreiheit.
Und genau darum geht es. In Zeiten, wo Likes in den Social Media bestimmen, was man zu lesen bekommt, und Widerspruch sowie gegenteilige Ansichten dementsprechend schnell ausgefiltert werden, sind viele nicht mehr gewöhnt, damit umzugehen. Das Spektrum an informierten(!) Meinungen verarmt zusehends, und intelligenter öffentlicher Diskurs findet so gut wie nicht mehr statt. Das ist die eine Seite.
Die andere ist die Verrohung der Sprache, der fehlende Filter zwischen Hirn und Mund/Fingern. Ich kann mich erinnern an die Anfänge meiner Online-Zeiten: Da gab's eine sogenannte Netiquette, an die man sich zu halten hatte in den verschiedenen Newsgroups oder Foren. Davon ist aber weit und breit nichts mehr zu sehen. In welcher geistigen Umnachtung man sich auch befindet, man postet oder mailt, beschimpft oder droht mit sogar strafrechtlich relevanten Taten. Ein Hinterfragen des Tons findet nicht mehr statt, geschweige denn der Wortwahl. Fürchtet man sich vor Konsequenzen? Gibt es überhaupt Konsequenzen? Scheinbar nicht.
Es ist salonfähig geworden, rassistische Dinge offen und unter eigenem Namen jemanden an den Kopf zu schmeißen... ganz im Sinne von: Steter Tropfen höhlt den Stein. Jeden Tag sieht man dies in der politischen Auseinandersetzung. Es prescht jemand aus der 2. Reihe mit einer rassistischen Äußerung nach vorne. Vielleicht wird die Aussage noch zurückgenommen, aber das ist vollkommen unwichtig. Denn die Samen sind gesät, das nächste Mal wird der Aufschrei leiser sein, bis er verstummt und die eigentlich unerträgliche Aussage einfach Alltag wird. So geschieht es in der Flüchtlings- und Migrationsdebatte seit 30 Jahren in Österreich.
Je nach Ausgangskommentar entgegnet Kazim nun entweder sarkastisch/ironisch, fallweise durchaus spöttisch, sehr oft aber auch sehr sachlich und erklärend. Wie darauf dann vom Kommentarautor reagiert wird, ist mitunter entlarvend...
Jedenfalls halte ich dieses Buch für eine Pflichtlektüre für alle, die auch nur halbwegs offen durchs Leben gehen, sich in Social Media bewegen oder in Foren partizipieren. Ich muss leider gestehen, dass mein Frustrationsplafonds sehr rasch erreicht ist, sodass ich es nach 1-2 Tagen wieder aufgebe, offensichtlichen Unwahrheiten, die stupide nachgeplappert werden und auf denen trotz Gegendarstellung insistiert wird, entgegenzutreten. Daher Hut ab, Herr Kazim!
Für Stoff zum Nachdenken und Diskutieren ist jedenfalls gesorgt - und das kann einer Gesellschaft nur gut tun.